Karl Svozil
Block: Bibliometrie - Verfahren, Ausbildung und kritische Betrachtung
Ort: Hörsaal Kupelwieser, 1. Obergeschoß
Zeit: Donnerstag, 23.9.2010, 17:00-17:30
Die bibliometrisch-szientrometische Quantifizierung der Forschungsleistung entspringt dem utopischen Projekt der Messbarmachung der Welt. Ideologisch deformiert wurden diese Versuche sowohl im Sowjetsystem (»Alexej Grigorjewitsch Stachanow«-Bewegung), als auch im Westen im Rahmen von Workflow-Fließband-Technologien des Taylorismus. Gerade das Sowjetimperium war allerdings vorsichtig genug, im innersten wissenschaftlich-akademischen Kern eher Persönlichkeiten als Zahlenkolonnen als Autoritäten gelten zu lassen. Demgegenüber begann im Westen mit der Ideologie der »public accountability« und der »checks and balances«, und bedingt dadurch, dass öffentliche Gelder vor dem Wahlvolk und Steuerzahler gerechtfertigt werden mussten, eine zunehmende Herrschaft der Buchhalter über die Wissenschaften. Denn um »accountable« zu werden, müssen die Forscher zu »accountants« werden. In der Folge biedern sich vor allem nach Profit ausgerichtete Firmen wie ISI Web of Knowledge – Science – Thomson Reuters den Verwaltungen und politischen Entscheidungsträgern als zwar unvollkommene, aber relativ billige Weise an, Entscheidungen und Lenkungsmaßnahmen zu begründen und zu legitimieren. Auf der Strecke bleiben die Humboldtschen Ideale der Forschung in Freiheit und Einsamkeit, sowie der Inhalsbezogenheit schlechthin: überall dominiert der Impact, the least publishable unit, und Kommissionitis, das wohl aufgestellte Mittelmaß; die Wissenschaft, die Originalität, Außenseiter und die Qualität bleiben oft auf der Strecke. Weiter sind diese Bürokratien oft nicht in der Lage oder willens, den Overhead zu bezahlen, welcher durch diese buchhalterischen Maßnahmen entsteht.
Ebenso, und von gleichen utopisch-ideologischen Quellen gespeist, erscheinen die in ihrer Starrheit beinahe an bolschewikische Projekte heranreichenden bürokratische Tendenzen, unter dem feminististischen Deckmantel eine Diskriminierung der männlichen Bevölkerung zu erreichen, indem man beispielsweise bei Ausschreibungen eine festes Verhältnis von Männern und Frauen vorschreibt; oder gar nur mehr Posititionen ausschließlich für Frauen ausschreibt.
(Sämtliche Positionen verstehen sich als private Meinungen des Verfassers.)
Ao. Univ.-Prof. Dr. phil. Karl Svozil studierte Physik an den Universitäten Wien und Heidelberg. Nach der Promotion folgte ein Gastaufenthalt an der University of California at Berkeley und am Lawrence Berkeley Laboratory; danach Forschungstätigkeiten an der Technischen Universität Wien, sowie zahlreiche kürzere und längere internationale Forschungsaufenthalte zum Beispiel an der Moskauer Lomonosov-Universität. Parallel dazu arbeite er als Sachbearbeiter im Bereich Bibliotheken im österreichischen Wissenschaftsministerium. Seit 1990 ist er wieder an der Technischen Universität Wien tätig. Er ist »Distinguished Visitor« des Centre for Discrete Mathematics and Theoretical Computer Science of The University of Auckland.