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Rainer Kuhlen

Wissensökologie und Wissensökonomie müssen kein Widerspruch sein

Block: Einleitende Plenarvorträge
Ort: Audimax
Zeit: Mittwoch, 12.9.2012, 10:00-11:00

Abstract

Nach ca. 40 Jahren der Auseinandersetzung besteht ein allgemeiner und zunehmend auch weltweiter Konsens darüber, dass der durch Nachhaltigkeit bestimmte Umgang mit den natürlichen Ressourcen nicht nur deren nicht unbeschränkte, aber faire Nutzung für jedermann erlaubt, sondern auch die kommerzielle Verwertung. Um die korrespondierende These der Verträglichkeit von Wissensökonomie und Wissensökologie bzw. für den Umgang mit immateriellen Ressourcen plausibel zu machen, müssen einige grundlegende Konzepte wie Nachhaltigkeit, Verknappung, Nutzung, Verwertung oder Eigentum neu bestimmt werden.

Ökologie der natürlichen Ressourcen und Ökologie der immateriellen Ressourcen scheinen zunächst im Widerspruch zueinander zu stehen. Die Nachhaltigkeit der ersteren, einschließlich der Verfügbarkeit für spätere Generationen, soll nicht zuletzt dadurch gesichert werden, dass sie vor Übernutzung geschützt und daher auch verknappt werden müssen. Es ist allerdings fraglich, ob dieses Prinzip der Verknappung auf die Nachhaltigkeit von immateriellen Ressourcen und damit auf Wissensökologie übertragen werden kann. Das heißt nicht, dass (wissens)ökologisches Handeln die jeweiligen Objekte – hier Wissen und Information – sozusagen als vogelfrei ansieht, deren sich jeder beliebig bedienen darf. Auch die immateriellen Gemeingüter (Commons) bedürfen Regeln der Nutzung (Institutionalisierungsformen, wie sie in der Institutionenökonomie genannt werden), auf die sich die von diesen Commons betroffenen Akteure verständigen müssen. Commons sind keine grundsätzlich knappen Güter, wie es die traditionelle Ökonomie annimmt, sondern werden in einer »commons-based economy« als Objekte angesehen, die aus nachhaltigem Gemeinschaftsinteresse zu regulieren und in ihren Verwertungsansprüchen zu beschränken sind. Commons sind sozusagen nicht knappe (scarce) Güter, sondern zu beschränkende (stinted) Objekte. Entsprechende Regeln bzw. Regulierungsformen begünstigen nicht deren exklusive private kommerzielle Verwertung, sondern deren Erhaltung und nachhaltige Beförderung im gemeinschaftlichen Interesse.

Neben der Klärung der grundlegenden Konzepte der Wissensökologie, soll im Vortrag die These der Verträglichkeit von Wissensökonomie und Wissensökologie durch erste Hinweise auf (durchaus auch ökonomisch attraktive) Geschäftsmodelle plausibel gemacht werden. Verträglich sind sie allerdings nur, wenn dabei Wissen und Information als Commons und nicht als exklusive private Güter anerkannt werden. Anders: Nicht die kommerzielle Nutzung von Wissen und Information ist die Regel und die freie und offene Nutzung die Ausnahme, sondern genau umgekehrt.

Kurzbiographie von Rainer Kuhlen

Forschungs- und Lehrschwerpunkte: Information Retrieval, Hypertext, Informationsmarkt, Informationsethik, -politik/-recht; kollaboratives Wissensmanagement im e-Learning, Commons-Theorien

Professionelle Funktionen: Seit 1980 Lehrstuhl für Informationswissenschaft, Universität Konstanz; Mitglied des Fachausschusses »Kommunikation und Information« der Deutschen UNESCO-Kommission (DUK); Deutscher UNESCO Chair in Communications (ORBICOM); Vorsitzender des Vereins Nethics e.V. (Informationsethik im Netz); Mitglied im Vorstand des Hochschulverbandes für Informationswissenschaft (HI); Sprecher des Aktionsbündnisses »Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft« und von ENCES (European Network in behalf of Education and Science); Sachverständiger für verschiedene Bundestagsausschüsse und Enquete-Kommissionen; Mitglied zahlreicher Beiräte/Kommission für BMBF, DFG, EU sowie in Österreich und Schweiz.

Aktuelle Projekte: IUWIS (Infrastruktur Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft – DFG); MEDOANET (Open Access in six countries of the Mediterranean area – EU/FP7).

Letzte Buchpublikationen: Konsequenzen von Informationsassistenten (1999); Informationsethik (2004); Erfolgreiches Scheitern – Götterdämmerung des Urheberrechts (2008)

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